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Bergwandern in den Allgäuer Alpen

Wanderung ins Graue

30.07.2025

Man sagt ja: In den Alpen sieht man grüne Wiesen, auf denen Kühe friedlich grasen. Man riecht den Duft von Alpenblumen, spürt die Sonne auf der Haut und blickt in die Ferne auf eine majestätische Bergkette unter blitzblauem Himmel...

Tja, wir sahen konstant… grau. Eine Wand aus Nebel. Drei Tage lang. So viel zur Aussicht. Dabei fing alles ganz harmlos an. Zu acht gondelten wir gemütlich mit der Kanzelwandbahn nach oben. Der Blick noch verheißungsvoll schweifend – naja, zumindest bis zur ersten Nebelgrenze. Dann wurde es ernst: Gleich zu Beginn ging es über einen unmarkierten, schwarzen/schweren Wanderweg zur Walser Hammerspitze. Anspruchsvoll, steil, felsig – nichts für schwache Nerven. Kraxelnd erreichten wir den 2.170 Meter hohen Gipfel. Ohne Aussicht, aber mit Stolz.

Die Stars des Tages: mehrere Alpensalamander, die uns auf dem Weg begegneten. Für manche von uns war’s das erste Mal, so ein Tier in freier Wildbahn zu sehen. Ein echtes Highlight im trüben Nebelmeer. 

Der Weg zur Mindelheimer Hütte wartete allerdings schon mit der nächsten Herausforderung: die steile Kemptner Scharte. Über nasses Felsgelände, durch den strömenden Regen und an seilgesicherten Passagen vorbei, kämpften wir uns nach oben. Mittlerweile so durchnässt, dass selbst unsere wasserdichten Jacken und Hosen resigniert hatten. Doch das Glück kam in Form eines Trockenraums auf der Mindelheimer Hütte: ein Raum, warm wie eine Sauna, “wohlduftend” nach nasser Funktionskleidung. In kürzester Zeit war tatsächlich alles wieder trocken und wir konnten das leckere Essen beruhigt genießen. 

Tag zwei begrüßte uns… natürlich mit Regen. Dazu kam Wind, Nebel und Kälte. Der Gipfel des Geishorn war ursprünglich geplant. Stattdessen wanderten wir schnurstracks zur Widdersteinhütte. Aussichtstechnisch war die Tour ein Blindflug. Als sich die Hütte im Nebel nach ca. 4 Stunden endlich zeigte, waren alle total happy. Die Hütte: klein, urig, gemütlich und warm. Ein Ort der Erholung für völlig durchnässte Bergsteiger*innen. Es folgte ein gechillter Nachmittag voller Spiele, Gespräche und der Hoffnung: Morgen wird alles besser. 

Wurde es nicht… 
Auch am dritten Tag begrüßte uns das vertraute Trommeln des Regens. Der Widderstein, unser eigentliches Tourenziel, blieb hinter dicken Nebelschwaden verborgen. Statt Gipfelglück wählten wir Vernunft – und stiegen über das Gemsteltal ab. Doch siehe da: Immer wieder riss der Nebel auf. Plötzlich sahen wir Wasserfälle, schroffe Hänge, Kühe, endlich ein Stückchen Alpenidylle. Der Weg selbst war längst zum Bach geworden – aber jetzt war’s auch voll egal. Nass waren wir ja sowieso. 

Der krönende Abschluss: eine Einkehr auf der historischen Hinteren Gemstelalpe. Seit dem 14. Jahrhundert trotzt sie Wind und Wetter – ganz wie wir. Bei Apfelstrudel, Heidelbeerquark und Kaffee ließen wir alles Revue passieren.

Die letzten Meter ins Tal nach Mittelberg rollten wir fast schon entspannt hinunter. Mit dem Bus ging’s zurück zum Parkplatz der Kanzelwandbahn. 

Drei Tage im Nebel, durch Regen, Kälte und über rutschige Felsen und matschige Wiesen. Es war nicht leicht - für niemanden. Aber wir haben zusammengehalten, uns gegenseitig motiviert und unterstützt. Erlebt haben wir trotzdem viel - vielleicht sogar mehr als bei Sonnenschein. Denn am Ende zählt nicht die Aussicht, sondern die gemeinsame Reise. 
 
Text & Fotos: Myriam Kopp