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Hochtour mit Hüttencharme

Von der Langtalereckhütte aufs Eiskögele (3233 m) und den Nordgipfel der Hochwilde (3461 m)

21.07.2025

Der Anstieg zur Langtalereckhütte (2430 m) von Obergurgl aus war wie ein gutes Bergbuch: spannend, mit einigen Schweißperlen und einem schönen Ende – dem Anblick der Hütte in der Nachmittagssonne. Ausruhen? Nichts da! Wir wollten ja noch "schnell" aufs Eiskögele (3233 m). Ein kleiner Ausflug, der mehr in den Waden brennt, als er auf der Karte aussieht. Belohnung: erste Blicke auf den Gletscher, das morgige Tagesziel die Hochwilde und ein Vorgeschmack auf den nächsten Tag. Tag 2 – Hoch hinaus auf die Hochwilde: Frühstück, Rucksack, Steigeisen – los geht’s. Georg, unser Hüttenwirt, versorgte uns noch mit mehr Informationen als jedes Alpenvereinsjahrbuch. Und mit dem Hinweis: „Langtal rauf und runter? Würd’ ich nicht machen – schaut von oben gar nicht nett aus.“ 

Vom Hochwildehaus aus ging es zuerst auf gutem Steig nach Süden, bis wir den Gurgler Ferner betraten. Über eine flache Kuppe und einen Sattel stiegen wir auf etwa 2.960 m westlich am Annakogel vorbei – hier eröffnet sich erstmals der Blick ins obere Gletscherbecken nördlich vom Annakogel: weit, weiß, beeindruckend. Von hier aus ging es schräg hinab Richtung Süden – dem Beginn des zweiten Gletscherabschnitts entgegen. Immer direkt nach Süden hielten wir auf die deutlich sichtbare, überfirnte Einsattelung zwischen Annakogel und Mitterkamm zu. Diese führte uns schnurstracks durch das Annajoch, westlich am Annakogel vorbei, direkt auf die mächtige Nordflanke der Hochwilde zu. Je näher wir kamen, desto imposanter ragte der Gipfel auf – ein echter Blickfang inmitten der weißen Arena. Die letzten Meter verlangten nochmals Konzentration: kurze, versicherte Kletterstellen im II. Grad mit Drahtseilen, dann standen wir auf dem Nordgipfel der Hochwilde (Cima Altissima, 3461 m). Dort: Wind, Kreuz und ein Panorama, das sich gewaschen hat – von den Ötztaler Riesen bis tief nach Italien hinein. Der Abstieg übers Langtal? Danke, Nein. Ein Blick hinunter genügte: vereiste Wände, senkrechte Gletscherflanken.

Georg hatte also recht mit seiner Einschätzung. Also wählten wir den bekannten Rückweg – sicher, angenehm und mit dem Hochgefühl des Gipfels im Rucksack. Abends auf der Hütte: Georg erwartete uns mit nur einem Palatschinken  – und  Schnapsrunden, die fast so legendär waren wie die Tour selbst. Wer Georg kennt, weiß: Der Mann ist kein Hüttenwirt – der ist Bergkultur pur!

Kleine Geschichte am Rande: Der Gurgler Ferner – wenn der Gletscher ins Dorf kommt. Schon im 19. Jahrhundert war der Gurgler Ferner mehr als nur ein landschaftliches Highlight – er war gefürchtet. Damals rückte der Gletscher Jahr für Jahr talwärts und bedrohte die Almen oberhalb von Obergurgl. Eine Hütte musste sogar umgesiedelt werden, weil sie sonst schlicht vom Eis verschluckt worden wäre. Ein Zeitzeuge schrieb 1882: "Der Ferner war unruhig wie ein wildes Tier – man hörte ihn arbeiten."  Heute zeugen nur noch Geröllfelder und alte Steinfundamente von dieser Zeit. Kaum zu glauben, wenn man über das blanke Gletschereis geht – doch die Spuren der Geschichte liegen im ewigen Eis verborgen.

Fazit: Eine Hochtour mit allem, was dazugehört: Eis, Steigeisen, Aussicht, Geschichte – und einem Hüttenwirt, der jedem Berg Charakter verleiht. Danke Georg – nächstes Mal vielleicht doch zwei Palatschinken?


Text: Anne Marquardt Bilder: Lena Kurz, Wencke Kohlruss, Timo Langmann, Thomas Trenc